„Es ist nicht deine Aufgabe mich zu mögen, es ist meine." - Katie Byron
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Wer kennt sie nicht? Die Herrschaften, die immer im Mittelpunkt stehen wollen, die überschwänglich und ausschließlich über ihre Erfolge berichten, über eigene Witze am meisten lachen, kein Gespür für Situationen oder das Gegenüber aufbringen und oft nur nett zu anderen Menschen sind, um persönliche Vorteile daraus zu ziehen. Willkommen in der Welt der Narzissten.
Gibt man den Begriff Narzissmus in Google ein, kommen über 1,5 Mio. Ergebnisse. Seit 2017 ist am 1. Juni Welttag zur Aufklärung über narzisstischen Missbrauch. Narzissmus ist ein Thema, das bewegt und immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Oft wird Selbstliebe mit Narzissmus verwechselt. Daher gehe ich zuerst näher auf Narzissmus ein.
Die Gratwanderung zwischen Selbstliebe, Selbstüberschätzung und Narzissmus kann oft schmal sein.
Auf den ersten Blick kann Narzissmus sehr sympathisch wirken. Zu Beginn werden diese Personen selten als Narzissten gesehen, sondern als Menschen mit Charisma und Charme. Sie sind in der Regel mit einer großen Portion Humor ausgestattet, redegewandt, selbstsicher und ziehen die Aufmerksamkeit magnetisch an. Zu Beginn jedenfalls. Nach und nach wendet sich das Blatt und der Narzisst und Egomane enttarnt sich selbst: Seine Selbstverliebtheit und Egozentrik nerven nur noch und das, was wir einst bewunderten, avanciert zur hohlen Fassade, zum Mittel zum Zweck.
„Sie geben dir das Gefühl, dass du etwas ganz Besonderes sein musst, weil sie dich ausgewählt haben“ (Lisa Firestone, Psychologin & Autorin)
In den Managementetagen sind Narzissten häufig vertreten - und sie werden immer mehr. Das sind Chefs, die Mitarbeiter klein halten, um selbst groß zu sein, die stark im Austeilen sind, aber Mimosen im Einstecken, die nicht diskussionsbereit oder kritikfähig sind und manipulieren. Denen jegliches Einfühlungsvermögen fehlt und die ständig nach Bewunderung suchen. So beschreibt der Psychiater Reinhard Haller die Merkmale des Narzissten. Psychologen der Universität Graz haben nun herausgefunden, dass hinter diesen narzisstischen Persönlichkeiten eine tiefliegende Verletzlichkeit stecken kann.
Weshalb schikanieren Mächtige ihr Umfeld?
„Macht ist ein menschliches Urbedürfnis, das bei Männern besonders stark ausgeprägt ist. Neben einer narzisstischen Störung kann es auch durch plötzliche Machtfülle zu Narzissmus kommen. Egozentrik und Bewunderungspflicht lösen aus, dass man andere niedermacht. Man ist nicht zufrieden, zu hören, wie großartig man ist. Es kommt noch dazu, wen schikanieren zu können. Während sie nach außen bewundert werden wollen, haben sie innerlich wenig Selbstwertgefühl. Sie haben Angst, nicht anerkannt und geliebt zu werden. Übermäßiges Lob ist wie eine Droge für sie. Es handelt sich nicht um starke, sondern extrem kränkbare Menschen. (Quelle: Auszug Interview Kronen Zeitung mit Reinhard Haller, Psychiater)
In der Regel zeichnen sich Narzissten durch folgende Eigenschaften aus*:
- Glauben von sich, „besonders“ und einzigartig zu sein. Deshalb sind sie überzeugt, nur von anderen „besonderen“ oder hochgestellten Menschen verstanden zu werden oder nur mit diesen Kontakt pflegen zu müssen.
- Streben nach Dominanz und benötigen exzessive Bewunderung.
- Sie sind stark von Phantasien über grenzenlosen Erfolg, Macht, Brillanz, Schönheit oder idealer Liebe eingenommen.
- Legen ein hohes Anspruchsdenken an den Tag. Das bedeutet, dass sie die übertriebene Erwartung haben, dass automatisch auf die Erwartungen eingegangen wird oder dass sie besonders günstig behandelt werden.
- Erniedrigung ihres persönlichen Umfelds, um Macht zu demonstrieren (gerade auch in einer Partnerschaft).
- Fehlende Empathie - zeigen einen Mangel an Einfühlungsvermögen, das heißt, sie sind nicht bereit, die Gefühle oder Bedürfnisse anderer zu erkennen, zu akzeptieren oder sich in sie hineinzuversetzen.
- Keine Kritikfähigkeit, reagieren aggressiv auf Kritik.
- Häufig neidisch auf andere oder glauben, andere seien neidisch auf sie.
- Hohe Risikobereitschaft - wenig Sicherheitsorientierung.
- Zeigen arrogante, hochmütige Verhaltensweisen oder Ansichten.
- Kein Verantwortungsbewusstsein, alle anderen sind schuld - oft in der Opferrolle.
- Spott, Zynismus, emotionale Erpressung sind an der Tagesordnung in einer Beziehung.
*Kennzeichen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung nach DSM-5 (DSM-5 ist die Abkürzung für die fünfte Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders)
Wolle man den Charakter eines Menschen erkennen, so „gib ihm Macht“, soll der frühere US-Präsident Abraham Lincoln gesagt haben.
Ich breche ihnen das Rückgrat
In meiner beruflichen Laufbahn sind mir schon öfter Narzissten untergekommen. „Frau Wagner, ich werde ihnen genauso das Rückgrat brechen, wie meinen anderen Mitarbeitern“ - das war der Einstiegssatz eines Geschäftsführers an meinem ersten Arbeitstag. So stell ich mir einen gelungenen Onboarding Prozess vor :) Gemeint war, dass ich genau das tun werde, was er will, wann er es will und wie er es will. Wer mich kennt weiß, ich liebe Herausforderungen - die Realität sah daher anders aus. Mein Rückgrat wurde zum Glück nicht gebrochen, aber die Zusammenarbeit mit einem Narzissten auf ein völlig neues Level gehoben.
Einige Jahre später hatte ich das Vergnügen mit einem Geschäftsführer zusammenzuarbeiten, der Mitarbeiter permanent als völlig unfähige Idioten bezeichnet hat. Nein, nicht behind the back, sondern frontal ins Gesicht geschrien. Und das war nur ein Gustostückerl von vielen. Nach einigen Wochen war mir dann auch klar, was die Personalberaterin gemeint hat mit…. „Frau Wagner, sie können doch so gut mit komplexen Persönlichkeiten umgehen….“
Immer wieder sind wir von Narzissten und Egoisten umgeben. Wichtig dabei zu wissen ist nur eines: wir können das Verhalten dieser Menschen nicht ändern.
Umgang mit narzisstischen Vorgesetzten und KollegInnen
- Je selbstbewusster und autonomer du bist, umso besser kannst du narzisstische Entwertung abwehren und dich selbst behaupten.
- Lerne „Nein“ zu sagen und zeige deine Grenzen auf.
- Sei dir bewusst, „echtes“, ehrliches Lob wirst du nie erhalten. Hol es dir woanders.
- Nimm verbale Angriffe, Beleidigungen nicht persönlich, auch wenn es schwer fällt.
- Du kannst das Selbstwertgefühl deines Gegenübers stärken: „Wie dir sicherlich schon aufgefallen ist, gibt es dort ein Problem. Ich schlage folgende Maßnahmen vor.“ Auf diese Weise vertrittst du deine Meinung und betonst zugleich die Kompetenz des anderen.
- Finde eine Eigenschaft an deinem Gegenüber, die dir gefällt und die du wertschätzen kannst. Konzentriere dich auf das Positive.
- Zugegeben, es gelingt nicht immer die eigenen Emotionen nach einem verbalen Angriff zu unterdrücken. Gehe aus der Situation, atme durch und kommuniziere gewaltfrei statt Gegenvorwürfe zu machen: Mir fällt auf, dass du auf meine E-Mails nicht reagierst (Beobachtung) - das ärgert mich (Gefühl) und ich wüsste gerne, warum du das tust (Bedürfnis).
- Versuche Machtspiele zu vermeiden und dich nicht darauf einzulassen. Je mehr du bei dir selbst bleibst, umso geringer ist die Angriffsfläche für einen narzisstischen Menschen.
- Im schlimmsten Fall musst du kündigen, denn es kann krank machen, zu lange in einer entwertenden Situation zu bleiben. Du hast es verdient, an einem Ort zu arbeiten, an dem man dich und deine Leistung schätzt. Das gilt im Übrigen auch ganz besonders für eine Beziehung. Narzissten ändern sich nicht. Bevor es zu spät ist:…..“Lauf Forrest lauf!“
„Es stimmt, dass selbstsüchtige Menschen unfähig sind, andere zu lieben; sie sind jedoch genauso unfähig, sich selbst zu lieben.“ (Erich Fromm, Psychoanalytiker)
Selbstliebe und Selbstverliebtheit
Die Wörter Selbstliebe und Selbstverliebtheit entstammen dem selben Wortstamm und sagen doch etwas ganz anderes aus. Wer sich selbst liebt, nimmt sich selbst so an, wie er ist. Er nimmt sich wichtig, aber stellt sich nicht zur Schau - ganz im Gegenteil zu selbstverliebten Menschen. Sie lieben das Rampenlicht und neigen zu Überheblichkeit. Selbstliebe und Selbstverliebtheit sind zwei unterschiedliche Themen.
Wer sich selbst mag, kann besser mit Kritik umgehen, ist selbstbewusster und stellt sich selbstsicher neuen Herausforderungen. Wer sich selbst lieben möchte, muss daran arbeiten sich selbst zu akzeptieren, denn Selbstakzeptanz und Selbstliebe gehen Hand in Hand. Dazu gehört, dass du jede Eigenschaft an dir annimmst - die Guten wie auch die Schlechten. Wenn du ständig etwas von dir vor anderen verbirgst, zeugt das nicht gerade von Selbstliebe. Du beginnst dich zu verstellen, um nur deine Zuckerseiten zu zeigen.
Auch Selbstachtung spielt eine erhebliche Rolle. Nimmst du deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche ernst und versuchst diese zu realisieren, nimmst du dich selbst wichtig. Wenn du auf dein Wohlbefinden und deine Gesundheit achtest, tust du dir selbst etwas Gutes und ebnest den Weg für eine gesunde Selbstliebe.
Nur wenige Menschen denken ernsthaft darüber nach, wie sie sich selbst behandeln.
Dass es an Selbstliebe mangelt, merken viele deshalb erst, wenn sich bereits negative Auswirkungen bemerkbar machen und es oft zu spät ist. Besser ist es, sich frühzeitig mit der Frage zu beschäftigen: Liebst du dich selbst genug? Eine etwas komische Frage, oder?
kurzer Selbstliebe-Test
Stell dich vor einen Spiegel und schau dich einfach nur ein paar Augenblicke lang an. Schau dir ins Gesicht, in die Augen, auf den Körper.
Dann sag dir selber „(Name), ich liebe dich und akzeptiere dich so, wie du bist.“
Wie wirkt das auf dich? Regt sich da innerer Widerstand in dir? Ist es schwierig für dich, diesen Satz auszusprechen? Oder geht er dir ganz locker über die Lippen und du FÜHLST dich auch wirklich gut dabei?
Wenn du eine gesunde Selbstliebe hast, dann wird es dir leicht fallen, diesen Satz zu sagen. Wenn es mit deiner Selbstliebe noch nicht ganz so optimal bestellt ist, dann wirst du eher innere Anspannung verspüren. Vielen fällt es schwer, weil sie sich nicht wohl in der eigenen Haut fühlen, nur Fehler und Schwächen sehen oder schlichtweg nie gelernt haben, gut zu sich selbst zu sein.
Wie verhält es sich mit deinen Antworten zu diesen Fragen?
- Hast du oft das Gefühl, andere wären erfolgreicher, schlauer, besser als du?
- Geht du mit dir selbst übermäßig hart ins Gericht, wenn dir etwas nicht gelingt?
- Siehst du nur deine eigenen Fehler?
- Redest du dir selber dein Leben, deine Erfolge, deine Leistungen immer wieder schlecht?
- Bist du der Meinung, nicht gut genug zu sein?
Wenn dir diese Denk- und Verhaltensweisen vermehrt auffallen, solltest du an deiner Selbstliebe arbeiten.
Selbstmitgefühl stärken
Manchmal sind wir uns selbst gegenüber sehr hart. Anstatt Verständnis dafür aufzubringen, dass wir uns selbst in eine bestimmte Lage gebracht haben, sind wir unnachgiebig und ohne jedes Selbstmitgefühl. Wir müssen uns doch endlich mal zusammenzureißen - andere hat es schließlich sehr viel härter getroffen. Natürlich mag es sein, dass andere das weitaus härtere Los gezogen haben. Wenn uns das Leid anderer aber stets zu Tränen rührt, wir uns selbst hingegen mit einem „Stell dich nicht so an!“, abspeisen, wird es Zeit, am Selbstmitgefühl zu arbeiten. Und uns selbst das Mitgefühl zu erweisen, das wir auch anderen zuteilwerden lassen. „Sei nicht so streng mit dir selber.“
Selbstannahme
In Zeiten des Selbstoptimierungswahns steht Selbstakzeptanz auch nicht gerade hoch im Kurs, wie wir täglich auf Instagram & Co. sehen. Doch führt absurderweise kein Weg daran vorbei. Denn: Wie sollen wir uns selbst lieben, wenn wir uns noch nicht einmal akzeptieren? Oder wenn wir uns vielleicht annehmen würden, aber nur, wenn wir ein paar Falten weniger haben, die grauen Haare abgedeckt sind, wir 5 kg weniger wiegen oder endlich einen Karrieresprung gemacht haben? Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als gegen den Strom zu schwimmen und Medien, Werbung, Schönheitsindustrie zu ignorieren, die uns predigen, dass wir doch bitte die bessere Version unserer Selbst werden sollen. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir alle nur mehr in Sack und Asche herumlaufen. Aber anstatt, unseren Stärken gegenüber farbenblind zu sein und unsere vermeintlichen Mängel überkritisch zu beäugen, können wir zumindest einmal Frieden mit uns selbst schließen."Ich hasse die Tatsache, dass ich das Bedürfnis hatte, mich körperlich zu verändern, um mich gut zu fühlen. Ich wünschte, ich wäre anders.", so Jane Fonda nach ihrer Schönheits-OP.
Gibt es ein Patentrezept zur Stärkung des eigenen ICH´S? Nein! Wir Menschen sind sehr individuell. Jemandem zu raten, er muss unbedingt schwimmen gehen, um Rückenschmerzen los zu werden, ist hilfreich für jene Menschen, die gerne schwimmen. Viele mögen das aber nicht. Vielleicht wären Wandern oder Nordic Walken die besseren Optionen. Wichtig daher: Was tut DIR gut, was brauchst DU, damit es dir besser geht, womit fühlst DU dich wohl?
13 Anregungen zur Stärkung von Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Selbstliebe:
Übung macht den Meister. Unser Gehirn braucht etwa 28 Tage, um sich an neue Gewohnheiten und Denkmuster zu gewöhnen.
- Sei nicht so streng mit dir selber, habe Geduld mit dir, sei nachsichtig. Jede(r) macht Fehler.
- Achte auf deine persönlichen und körperlichen Grenzen - nimm dir Auszeiten, verschiebe dich nicht auf später.
- Lächle dich selber häufiger an.
- Sei dir selbst ein guter Freund.
- Denk dir nicht schon vorher alles kaputt.
- Übernimm Selbstverantwortung für dein Tun und Handeln und suche selber nach Lösungen.
- Wertschätze deine Ideen und Entscheidungen.
- Vergleiche dich nicht mit anderen.
- Sei stolz auf dich und lobe dich für Gelungenes. Notiere deine Erfolge - auch die ganz kleinen.
- Sei klar, äußere deine Wünsche - niemand kann Gedanken lesen.
- Beobachte deine Körpersprache, Gestik, Mimik. Wie wirkst du? Hängen deine Schultern beim Gehen? Arbeite daran.
- Lache auch mal über dich selbst.
- Stehst du vor einer größeren Herausforderung und zweifelst? Reflektiere auf vergangene Erfolge (wie hast du diese Hürden gemeistert) und setze diese Stärken ein.
Wer genug Selbstwertgefühl in sich trägt und daran arbeitet, kann mit den Hürden des Alltages gut umgehen und baut gleichzeitig Resilienz und mehr Widerstandsfähigkeit auf.
Und mit diesem Spruch verabschiede ich mich für heute: Du musst nicht alles perfekt machen, deshalb haben die meisten Bleistifte einen Radiergummi!
Alles Liebe!
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